Möchtegerns, Steigbügelhalter und Wendehälse
Die Planungsphase für ein neues Düsseldorfer Opernhaus steht am 15. Juni 2023 auf der Tagesordnung des Stadtrats. 4,2 Millionen Euro sollen ein Architekt:innenwettbewerb und eine Machbarkeitsstudie für eine Interimsspielstätte kosten. Die Gesamtkosten für den geplanten Neubau der Düsseldorfer Oper waren ursprünglich mit 750 Millionen Euro veranschlagt. Die Summe wurde schon 2021 als viel zu gering eingeschätzt. Durch die gestiegenen Baukosten und Zinsen ist inzwischen eher von über 1 Milliarde Euro auszugehen – Tendenz steigend.
Kritik an den Milliardenkosten findet OB Keller aber “populistisch”, sagte er in einer vorbereitenden Ausschusssitzung am 7. Juni. Man könne nicht über Kosten diskutieren, die man gar nicht genau kennt.
Populistisch könnte man aber auch nennen, dass der Oberbürgermeister sich weigert, über die finanziellen Folgen eines Projekts zu sprechen, das weit über die Amtszeit Kellers hinaus den städtischen Haushalt belasten wird. Lieber ergeht sich der OB in Schwärmerei von der “internationalen Strahlkraft” und von der schönen Aussicht vom Dach des künftigen Gebäudes.
CDU-Oberbürgermeister Keller möchte gerne, dass Düsseldorf “Weltstadt” ist – koste es, was es wolle.
Keller verstieg sich jüngst zu der Behauptung, die 750 Millionen für den Opern-Neubau stünden nicht in Konkurrenz zu irgendwelchen anderen Ausgaben. Keine KiTa solle wegen der Oper weniger gebaut werden; kein anderes Kulturprojekt solle wegen der Oper weniger gefördert werden. Wie das gehen soll, hat er nicht verraten.
„Das ist unseriös!“ urteilt die Sprecherin der LINKEN Ratsfraktion, Julia Marmulla. „Die einzigen Auskünfte, die der Oberbürgermeister zur Finanzierung des Opern-Neubaus bisher gegeben hat, ist dass er nicht weiß, wie hoch die Kosten sein werden, dass sie aber nicht sofort gezahlt werden müssen. Aber sie werden vor Ende dieses Jahrzehnts fällig. Zu behaupten, dass die Stadt sie dann aus der Portokasse zahlen kann, führt zu einer Debatte auf Basis von Illusionen. Der Oberbürgermeister sollte reinen Wein einschenken, wie er sich die Finanzierung vorstellt. “
Im Dezember hielten Düsseldorfer CDU und Grüne die Haushaltslage jedenfalls für so dramatisch, dass sie unter anderem einer Arbeitslosenberatung und einer Beratungsstelle für die Kinder von Suchtkranken Dreiviertel ihrer Fördermittel gestrichen haben. All das, um 1,5 Millionen Euro zu sparen. Und auch in diesem Jahr erwarten die Beschäftigten der Sozialprojekte mit Grausen die Haushaltsberatungen im Dezember. Der lockere Umgang Kellers mit den Opern-Kosten steht in offenem Widerspruch zu den Streichungen bei den Sozialausgaben.
Aber auch, wenn der großzügige Umgang mit den Opern-Milliarden zum Konflikt mit der Düsseldorfer Bezirksregierung führen könnte (Stichwort “genehmigungspflichtiger Haushalt”), will Oberbürgermeister Keller den Neubau der Oper unbedingt durchsetzen.
Die Klientel, die hinter dem Opern-Neubau steht, ist klein, aber lautstark und mächtig.
Wem dient das Milliardenprojekt überhaupt? Immer weniger Menschen gingen in den letzten Jahren in die Oper. In der Opernsaison 2014/2015 waren es noch 176.666 Besucher:innen, in der letzten Saison vor Corona 2018/2019 nur noch 163.995. DIE LINKE wird im Stadtrat anfragen, ob es sich dabei hauptsächlich um Abonnent:innen – also immer dieselben Menschen – handelt. Jede verkaufte Karte wurde 2018/2019 mit 182,53€ aus öffentlichen Mitteln unterstützt.
Nur 11% der Besucher:innen der Düsseldorfer Oper waren unter 30 Jahren, dafür aber 68% über 50 Jahre. Dies ist kein Querschnitt der Düsseldorfer Gesellschaft, sondern deutet eher auf eine elitäre Kultureinrichtung hin. Kein Wunder, dass die CDU den Neubau so massiv fordert und die FDP ihn energisch unterstützt.
Der Gedanke, dass Milliarden Euro für eine so kleine Gruppe von Menschen verbaut werden, ist erschreckend: Die Düsseldorfer Oper hat aktuell ungefähr 1.300 Plätze, von denen vielleicht die Hälfte regelmäßig besetzt ist. Wenn das neue Opernhaus sich auf regelmäßig 1.000 zahlende Besucher:innen verbessern kann, dann kostet jeder regelmäßig genutzte Sitzplatz im Saal eine Dreiviertelmillion Euro – wenn die Kosten im Rahmen bleiben. Wenn die Kosten des Neubaus auf 1 Milliarde Euro steigen, kostet jeder Sitzplatz im Opernhaus die Stadt eine Million Euro. Dazu kommen natürlich noch die Millionen-Zuschüsse der Stadt Düsseldorf und des Landes NRW für den laufenden Betrieb der Oper.
Marmulla: „Der Opern-Neubau ist ein Prestigeprojekt der Hochkultur – und bei Prestigeprojekten hat bei CDU und FDP schon immer der Verstand ausgesetzt. Mit der neuen Oper will sich der Oberbürgermeister ein Denkmal setzen; mit der neuen Oper bedienen CDU und FDP den besonderen Düsseldorfer Größenwahn, eine Weltstadt sein zu wollen.“
Die Ausrede der Grünen für das Elitenprojekt war die Mär von einer “Oper für Alle”. Hinter dem Schlagwort “für alle” fehlte von Anfang an aber ein Konzept und Ideen. Die Einrichtung eines (weiteren) Cafés und ein öffentlich zugängliches Foyer sind kein Konzept.
Jetzt haben sich die Grünen um 180 Grad gedreht und wettern so lautstark gegen die Oper, dass man glauben könnte, sie wären nicht jahrelang dafür gewesen.
Eine andere Erklärung für die Sorglosigkeit Oberbürgermeister Kellers wäre, dass die Stadt insgeheim plant, Tafelsilber zu verkaufen, um den Opern-Neubau zu finanzieren. Die Rheinische Post hatte in ihrer Berichterstattung zum städtischen Haushalt gefordert, dass die Stadt wieder mehr Geld mit Grundstücksverkäufen verdienen soll. Städtische Beteiligungsgesellschaften wären ebenfalls Verkaufskandidaten, die bei Investoren Begehrlichkeiten wecken könnten. Aber der Verkauf von – beispielsweise – den restlichen Anteilen an den Sana-Kliniken oder gar den Stadtwerken, wäre für die Stadt ein Verlust von Einfluss und für die Düsseldorfer:innen sicherlich ein schlechter Tausch. Das hat sich in der Krise gezeigt.
Fassungslos macht viele, dass jetzt die SPD für die Grünen einspringt und sich der CDU als Mehrheitsbeschaffer anbietet.
Die SPD zeigt sich vor der Entscheidung im Stadtrat bereit, mit der CDU gemeinsam das Projekt Opern-Neubau zu beschließen.
Marmulla: „Was mich entsetzt, ist dass die SPD auf die unseriöse Argumentation Kellers einsteigt. Offenbar glaubt die SPD, dass der OB noch eine zweite Schatztruhe für Soziales und Wohnen herbeizaubern kann, wenn die SPD nur bereit ist, an die Existenz einer Schatzkiste für die Oper zu glauben. An diese Idiotie werden wir die SPD beizeiten erinnern.“
DIE LINKE hat sich von Beginn an gegen den Neubau und für eine Sanierung des bestehenden Opernhauses eingesetzt. DIE LINKE ist der Meinung, dass ein Neubau ein zu teures Vergnügen für zu wenige Menschen ist und viele ausgegrenzt werden. Das Geld wird anderswo von mehr Menschen dringender gebraucht. Inzwischen haben sich die Grünen dieser Einschätzung angeschlossen. Leider erst, nachdem sie das den Milliardenbau über Jahre bejubelt haben.
Egal, ob kollektiver Größenwahn oder böse Absicht hinter dem Opern-Neubau steht: „DIE LINKE ist beim Thema Oper die Stimme der Vernunft“, so Marmulla. „Wir wollen den Düsseldorferinnen und Düsseldorfern die Wahrheit sagen: Das Geld für die Oper wird auf die eine oder andere Weise an euch gespart werden. Lasst uns deshalb den Neubau jetzt verhindern!“